Stolpersteine für NS-Opfer in Sindelfingen

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
Die Fraktionen der FDP, CDU, FWS, SPD, Linke, AfD, Bündnis 90/Die Grünen stellen folgenden
Antrag:


Die Verwaltung der Stadt Sindelfingen wird beauftragt, die Umsetzung des Projekts
„Stolpersteine“ zur Erinnerung an die Sindelfinger Opfer des Nationalsozialismus zu organisieren.
Um weitere Orte des würdigen Andenkens, der Erinnerung und der Mahnung in unserer Stadt zu
schaffen, sollte die Stadt Sindelfingen dem Beispiel von 1099 (Stand 29. Dezember 2019) Städten
und Gemeinden in Deutschland folgen und die Umsetzung des länderübergreifenden Projekts
„Stolpersteine“ des Kölner Künstlers Günter Demnig in unserer Stadt durch die Erteilung einer
Verlegungsgenehmigung ermöglichen und diese mit ihrem Kulturamt planerisch, historisch und
organisatorisch koordinieren.


Das Stolperstein-Projekt stellt das größte, dezentrale NS-Mahnmal der Welt dar – seit Beginn des
Projekts im Jahre 1992 verlegte Demnig auf Initiative privater Stiftungen, von Privatpersonen,
Vereinen oder Gemeinden 75.000 Stolpersteine in 25 Ländern, darunter über 7000 in
Deutschland.


Ein „Stolperstein“ ist eine quadratische Messingtafel mit abgerundeten Ecken und Kanten,
welche von einem angegossenen Betonwürfel mit einer Kantenlänge von 96 x 96 mm und einer
Höhe von 100 mm getragen wird. Die Tafel, welche mit einem von Hand eingeschlagenen Lettern
beschrifteten Text an ein Opfer des Nationalsozialismus in der jeweiligen Gemeinde erinnert, wird
niveaugleich in das Pflaster oder den Belag des Gehwegs, zumeist in der Nähe der letzten
bekannten Wohn- oder Wirkungsstätte des Opfers eingelassen. Die Kosten eines Stolpersteins,
welcher nach Verlegung in das Eigentum der Gemeinde übergeht, betragen 120 . Diese Kosten
werden andernorts durch Spenden oder Patenschaften von Privatpersonen übernommen. Diese
Patenschaften für einen Stolperstein vermittelt die Stadt zwar, die Kosten für die Verlegung
werden allerdings vom Paten, nicht vom Stadthaushalt übernommen.


Begründung:


Sie waren Juden, sie waren Kommunisten, sie waren Sinti, sie waren Zeugen Jehovas oder
wurden als Behinderte getötet – zahlreiche Sindelfingerinnen und Sindelfinger kamen durch die
menschenverachtenden Taten der Nationalsozialisten ums Leben. Mit der NS-Opfer-Gedenktafel
vor dem Rathaus, der Gedenktafel für die in Sindelfingen umgekommenen Zwangsarbeiter auf
dem Alten Friedhof, dem Denkmal für die jüdische Familie Ullmann am DOMO und dem
Gedenkort für die Weltkriegsopfer am Alten Friedhof wird in Sindelfingen an vielen Orten seit
Jahrzehnten Erinnerungskultur gelebt und der schrecklichen Schicksale während dieser dunklen
Epoche unserer Stadtgeschichte würdig gedacht.


Durch ihren Fokus auf das individuelle Gedenken – jeder Stolperstein gibt ein Einzelschicksal
wieder – schaffen es die Stolpersteine jedoch, fernab zentraler Mahnmale und Gedenkstätten das
Leid des/der Getöteten in persönlicherer Weise nachzuvollziehen und die Erinnerung an das
schreckliche Einzelschicksal erlebbar zu machen. Für Orte, an denen die Zahl der Opfer die
räumlichen Gegebenheiten übersteigt, entwickelte Günter Demnig die an den Maßen der
Stolpersteine orientierte (96 mm Breite) „Stolperschwelle“, welche bis zu einem Meter verlängert
werden und somit an mehrere Schicksale erinnern kann.


Ferner schafft das Konzept der Stolpersteine als dezentrales Mahnmal, als an vielen Stellen direkt
in die Stadt und Stadtgesellschaft integrierter Ort des Gedenkens eine sinnvolle Ergänzung zu den
in Sindelfingen bereits vorhandenen zentralen Gedenkorten. Stolpersteine schaffen es, die Namen
der NS-Opfer zurück an die Orte zu bringen, wo die Opfer in Sindelfingen lebten – ohne
Möglichkeit, ihnen „auszuweichen“, sie zu „umgehen“. Laut Demnig sei bei zentralen
Gedenktafeln oder -orten dies nicht in demselben Maße gewährleistet – an solchen Mahnorten
„werde einmal im Jahr von Honoratioren ein Kranz niedergelegt, (…) aber andere können den
Mahnmale einfach umgehen.“ Das erforderliche Bücken, um die Namen auf den Stolpersteinen zu
lesen, stellt ferner eine symbolische Verbeugung vor den Opfern und ihren Schicksalen dar.

Zahlreiche Hinterbliebene von NS-Opfern, Opferverbände und Historiker schätzen die
Stolpersteine als würdige und aufrüttelnde Form des Gendenkens – Zeit, dass auch in
Sindelfingen den Opfern des dunkelsten Kapitels unserer Stadtgeschichte auf diese Weise
gedacht wird.


gez. Maximilian Reinhardt, FDP
im Namen der Fraktionen des Gemeinderats